Von unseren Egos zu unserem Selbst (II)

Wie können wir durch Zerstörung unserer Komfortzone an unser SELBST und eine uns völlig unbekannte Freiheit gelangen?

Nach einer ersten Betrachtung aus Sicht der Psychologie (C.G.Jungs) nun eine Betrachtung aus Sicht der Pädagogik.

Ich beziehe mich hierbei auf zwei Bücher meines ehemaligen Professors aus Kaiserslautern, Rolf Arnold:

„Ich lerne, also bin ich. Eine systemisch-konstruktivistische Didaktik“, 2007
und
„Seit wann haben Sie das? Grundlinien eines Emotionalen Konstruktivismus“, 2009.

Rolf Arnold benutzt anstelle des (etwas verwirrenden) Begriffs „Komfortzone“ den des „Containers“.
Wir alle leben in unseren Containern, in den „vertrauten Beengungen unserer Erfahrungen“.

„Das eigene Leben als Wiederholung – nur wenigen Menschen fällt dies auf, und noch wenigere vermögen daraus Konsequenzen für ihre eigene Lebensführung zu ziehen und aus sich selbst erfüllenden Prophezeiungen, welche oft vorgegebene Befürchtungen sind, wirklich auszusteigen. Denn die bei einem solchen Ausstieg zu ziehenden Konsequenzen sind unbequem: sie setzen einen Abschied vom Vertrauten voraus. „

Ich möchte zur weiteren Erläuterung noch den Begriff „Stress“ (in seiner negativen Ausprägung) mit ins Spiel bringen:

Ich befinde mich in einer Situation („Reiz“) und reagiere („Reaktion“)  darauf entweder

Stressfrei:
– Die Situation ist mir so gut bekannt, dass ich unbewusst richtig handle;
– Die Situation ist so, dass ich bewusst ein gelerntes Verhalten anwenden kann und „richtig“
handle;
– ich reagiere „kontrolliert“;
– ich habe mich „im Griff“
– bin emotionslos oder
– fühle mit wohl….bis sehr wohl.

Oder gestresst:
– Die Situation ist so, dass ich mich unwohl…bis hin zu panikartig fühle;
– ich reagiere „unkontrolliert“;
– ich habe mich nicht „im Griff“;
– ich reagiere emotional, „Schattengespeist“;
– ich muss (viel) Energie aufwenden, um mich zu beherrschen;
– es könnte sein, dass ich einen Wutanfall bekomme oder
– in Tränen ausbreche.

Kann ich stressfrei reagieren, befinde ich mich offenbar in meinem Container, in meiner Komfortzone: Hier fühle ich mich sicher, hier kann mir nichts geschehen. Hier möchte ich eigentlich immer sein. [„Ich möchte so bleiben, wie ich bin“…..“Du darfst“!!!]

Reagiere ich gestresst, befinde ich mich offenbar mehr oder weniger weit außerhalb meiner Komfortzone, meines Containers. Aus dieser Situation möchte ich schnell wieder hinaus, heim in sichere Gefilde. Weil ich unbewusst auf eine Art reagiere, die mir nicht gut tut, oder weil ich zwar bewusst reagiere, mich aber über die Art meiner Reaktion schäme, aber noch nicht über andere Handlungsoptionen verfüge.
Hier wird offenbar gegen meine Glaubenssätze gehandelt und das bringt mich in Stress, macht mich wütend oder auch traurig.

Und hier schließt sich wieder der Kreis: Es liegt einzig in meiner Hand und Verantwortung, die mich stressenden Situationen zu beobachten und mich zu entscheiden:

Möchte ich mich selbst dahingehend verändern, dass ich künftig in ähnlichen Situationen freier, d.h. ohne Stress agieren kann?

Aber:
„Selbstveränderung ist kein leichtes Unterfangen: „Warum soll ich mich selbst verändern?“ fragen sich viele, und auch die Frage „In welche Richtung soll ich mein Selbstbild und meine typischen Reaktionsweisen verändern und warum?“ zeigt, in welche Orientierungslosigkeit und das Projekt „Selbstveränderung“ zu bringen scheint.
Wir brauchen Entschlossenheit, uns neu zu erfinden. Indem wir die unser Verhalten prägenden Muster erkennen, begreifen wir, seit wann wir diese haben, und können uns fragen, ob wir sie hinter uns lassen wollen. Damit entstünden vielfältigere Möglichkeiten – für uns selbst und für die anderen, die uns erleben und denen wir uns zumuten, so, wie wir sind.“

Rolf Arnold zitiert Tara Bennett-Goleman, die wiederum fünf Gewohnheiten benennt, welche uns daran hindern, „unseren Blickwinkel zu erweitern und flexibel zu reagieren“. Um aus den durch diese Schemata eingeengten Denk- und Fühlweisen auszusteigen, brauchen wir eine „Aufklärung über Schemata“, damit wir ihre Funktionsweise (er)kennen und sie entsprechend reflexiv bei der eigenen Person in den Blick nehmen und bearbeiten können. Ziel ist es dabei, „sich selbst zu erkennen.  Schemata umfassend zu begreifen“ – so Bennett-Goleman – „ist ein erster Schritt, um uns aus diesen geistigen Gefängnissen zu befreien“.

NLP’ler sprechen hier von „Reframing“, einem „Umdeuten“.

Emotionale Schemata nach Bennett-Goleman:

Selektive Wahrnehmung
Dinge nur in einer Art und Weise sehen und alle Anhaltspunkte für das Gegenteil ignorieren.
Beispiel: Perfektionist mit guter Note grübelt über die eine kritische Bemerkung.

Übergeneralisierung
Ein einziges Erlebnis ist gleichbedeutend mit einem dauerhaften Muster.
Beispiel: „Mir wird nie etwas gelingen“.

Gedankenlesen
Sich an willkürliche Erklärungen klammern, als sei ihre Wahrheit erwiesen.
Beispiel: Verspätung des Freundes wird als sein Wunsch, die Freundin zu verlassen, gesehen.

Vorschnelle Schlussfolgerungen ziehen
Schlimmste Befürchtungen werden trotz fehlender Beweise als wahr angesehen.
Beispiel: Automatisch unterstellen: „Niemand will mit mir reden“.

Übertreibung
Kleinigkeiten zur Katastrophe hochspielen.
Beispiel: Kratzen im Hals wird als Hinweis auf lebensbedrohliche Situation gesehen.

„Der Abschied von „den absurden Gewohnheiten“, aus denen unsere Containerwelt aufgebaut ist, bringt uns aus dem inneren Gefängnis unserer pseudoautonomen Welt hinaus. Dabei führt uns der Weg durch mehrere Türen, die uns auch eine neue Substanz des Sich-in-der-Welt-Fühlens eröffnen.“

Soweit Rolf Arnold aus den beiden oben genannten Quellen.

Bleiben Sie dran…..